Der Compliance-Aspekt im Exportstrafrecht – Pflicht oder Kür?

15. November 2019 | Compliance

In einer globalisierten Handelswelt mit komplexen rechtlichen Anforderungen an Ausfuhren, Dual-Use-Güter und Sanktionslisten ist der bloße gute Wille nicht mehr ausreichend: Unternehmen benötigen strukturierte und belastbare Exportkontrollsysteme. Doch ist Compliance in diesem Bereich nur ein freiwilliger Beitrag zur Corporate Governance – oder längst rechtliche Pflicht?

1. Was bedeutet Export-Compliance?

Export-Compliance beschreibt die Gesamtheit aller unternehmensinternen Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass Exportvorgänge im Einklang mit den geltenden nationalen und internationalen Vorschriften erfolgen. Sie umfasst unter anderem:

  • Klassifizierung von Gütern (z. B. nach Anhang I der EU-Dual-Use-VO)

  • Prüfung von Embargos und Sanktionslisten

  • Einholung von Genehmigungen

  • Dokumentations- und Meldepflichten

  • Schulung der Mitarbeitenden

  • Einrichtung interner Kontrollsysteme (Internal Compliance Programme, ICP)

2. Rechtliche Grundlagen und Verpflichtungsrahmen

Während es keine ausdrückliche gesetzliche Norm gibt, die Unternehmen zur Einrichtung eines ICP verpflichtet, ergibt sich die Notwendigkeit mittelbar aus verschiedenen Quellen:

  • § 130 OWiG: Verpflichtung von Unternehmensleitungen zur Aufsicht über rechtmäßiges Verhalten

  • § 30 OWiG: Unternehmensgeldbuße bei Organisationsverschulden

  • § 17 ff. AWG: Strafbarkeit von Verstößen gegen Exportvorschriften

  • Ermittlungs- und Sanktionspraxis von BAFA und Zoll: Unternehmen ohne wirksames ICP werden regelmäßig als sorgfaltswidrig eingestuft

Die Implementierung eines funktionierenden Export-Compliance-Systems kann im Fall eines Verstoßes strafmildernd wirken – oder sogar verhindern, dass ein Organisationsverschulden überhaupt angenommen wird.

3. Typische Risikofelder ohne Compliance-Strukturen

  • Versand sensibler Technologie ohne Genehmigung

  • Lieferungen in Embargoländer über Zwischenhändler

  • Beschäftigung von Personen mit Zugang zu kontrollierten Technologien ohne Sicherheitsfreigabe

  • Transaktionen über sanktionierte Banken oder Staaten

  • Nichtbeachtung extraterritorialer US-Sanktionsnormen (z. B. durch Nutzung von US-Software)

4. Compliance: Kür oder Pflicht?

Auch wenn das Gesetz keine ausdrückliche „ICP-Pflicht“ formuliert, ist die Antwort aus juristischer Perspektive klar: In der Praxis ist Export-Compliance längst rechtliche Pflicht. Die Rechtsprechung erkennt betriebliche Compliance-Maßnahmen als zentrales Kriterium für die Beurteilung von Fahrlässigkeit, Organisationsversagen und Sanktionierungsbedarf. In internationalen Konzernen ist der ICP-Standard ohnehin Teil des Business Case – auch Mittelständler kommen daran nicht vorbei.

5. Fazit: Compliance als Schutzschild

Ein belastbares Exportkontrollsystem ist nicht nur Ausdruck verantwortungsvoller Unternehmensführung, sondern ein effektiver Schutzschild gegen strafrechtliche Risiken. Compliance im Exportstrafrecht ist somit keine Kür, sondern eine strategische und rechtliche Notwendigkeit – für Geschäftsführer, Compliance-Beauftragte und Exportverantwortliche gleichermaßen.

Bei Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Prof. Dr. iur. Darius O. Schindler | MBA
Strafverteidiger | Justiziar

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